DV mit Podiumsdiskussion und KKL-Führung in Luzern

87. Delegiertenversammlung, Samstag 21. April 2007 im Restaurant Rütli, Luzern

LUZERN - VON NATUR AUS PREMIUM!

So preist sich die Stadt der diesjährigen EOV-Delegiertenversammlung selber an. Und wahr-lich: Für die über hundert Angereisten hat sich das Versprechen erfüllt: Die zentrale Lage, die Kombination von wunderschöner Altstadt, Seepromenade und Alpensicht und das «Tüpfli ufs i» - das bewundernswerte KKL - machen Luzern als Begegnungsort für einen schweizerischen Kulturverband geradezu ideal. Kein Wunder also, dass man nur zufriedene Gesichter sieht! Ein herzliches «Danke schön!» an die Organisatoren vom Stadtorchester Luzern.

Die DV 2007 setzte sich aus 4 Teilen zusammen:

Geschäftliches
Das Wichtigste in einem Satz: Der Verband steht in jeder Hinsicht auf einer soliden Basis - kein Grund also für lange Debatten. Und da auch weder Wahlen noch Neuerungsanträge zur Abstimmung vorliegen, darf das Thema Volksinitiative Jugend + Musik viel Raum einnehmen. Patrick Linder, Geschäftsführer des Schweizer Musikrates SMR, und Hans Brupbacher vom Verband Musikschulen Schweiz VMS vertreten engagiert die Lancierung dieser Verfas-sungsinitiative. Artikel 67a der Bundesverfassung soll neu lauten:

1) Bund und Kanton fördern die musikalische Bildung, insbesondere von Kindern und Jugendlichen.
2) Der Bund legt Grundsätze fest für den Musikunterricht an Schulen, den Zugang der Jugend zum Musizieren und die Förderung musikalisch Begabter.

Der Name Jugend + Musik leitet sich bewusst von Jugend und Sport ab: Neben dem Körper haben auch Geist und Seele Berechtigung auf Ertüchtigung, Anerkennung und Unterstützung. Das Fach Musik wird heute im obligatorischen Schulunterricht mit zu wenig Ernsthaftigkeit und Professionalität vermittelt. Es braucht Standards und Lernziele. Zudem darf die finanzielle Unterstützung der Musikschulen mit öffentlichen Geldern in Zukunft nicht mehr in Frage gestellt werden. Weiter sind optimale Rahmenbedingungen für überdurchschnittliche musikalische Begabungen zu schaffen. Der SMR fordert seine Mitglieder daher auf, diese Initiative beherzt mit Wort und Tat zu unterstützen. Letzteres beinhaltet vorerst ganz konkret ein Öffnen des Portemonnaies: Bevor mit der geplanten Unterschriftensammlung begonnen werden kann, müssen von den Verbänden und deren Mitgliedern CHF 250'000.- zugesichert sein.
Die anwesenden EOV-Delegierten stellen sich ausnahmslos hinter die Initiative. Ein Pau-schalbetrag von CHF 5'000.- ist im EOV Budget für diesen Zweck vorgesehen; für Privatspenden liegen Einzahlungsscheine (Postkonto 60-3000860-7, SMR, 5000 Aarau) und ein «Opferstock» für Bargeld bereit. Vom EOV wird auch Hilfe bei der Unterschriftensammlung zugesichert.

Damit ist auch gleich ein erstes Ziel im 2007 EOV-Arbeitsprogramm gesetzt: Die Unterstützung dieser Initiative. Ferner sollen eine Pauschalmitgliedschaft mit dem VMS zwecks Ermöglichung einer EOV-Notenausleihe an die Musikschulorchester ausgehandelt, den Orchestern ohne Homepage die technische Infrastruktur zum Erstellen eines Links ab EOV-Homepage erstellt und die nächste EOV DV (mit Musikwerkstätten!) vorbereitet werden. Einstimmig und mit Applaus wird der Vorschlag des Orchestervereins Interlaken angenommen, dieses Ereignis 2008 zu Füssen der Jungfrau durchzuführen.

Grund zu weiterem Applaus bieten die folgenden Ehrungen: Sonja Kjelsberg tritt nach lang-jähriger Mitarbeit im Vorstand von ihrem Amt zurück und wird mit einem Anerkennungsgeschenk und Dank verabschiedet. Die Herren Paul Heeb und Fredy Rüegg vom Cäcilia-Orchester Rapperswil werden für ihren 50-jährigen engagierten Einsatz im Dienste der Musik mit der EOV-Ehrennadel ausgezeichnet.

Erfreulich ist auch die Bereitschaft der Anwesenden, die eigenen Notenbestände allenfalls anderen Orchestern auszuleihen. Der Vorstand wird ein geeignetes Prozedere entwickeln. Maurice Dentan, Notenbibliothekar, bittet um gebührende Sorgfalt bei der Bezeichnung der Noten: Bitte weder Leuchtstifte noch harte Bleistifte verwenden! Radier- und Sucharbeit bei verlorenen Noten lassen sich durch Kopien vermeiden; es ist aber Vorschrift, am Konzert die Originalnoten in genügender Anzahl - pro Pult 1 Notensatz - präsent zu haben.

Orchestern, die Musiker oder Dirigenten versichern möchten, wird die Pensionskasse Musik und Bildung des VMS in Erinnerung gerufen; detaillierte Auskünfte sind über das Internet oder Tel. 061 / 906 99 06 erhältlich.

Käthi Engel Pignolo ist neu zuständig für die Konzertagenda; sie rät den EOV-Orchestern, das Gratis-Inserierangebot vermehrt zu nutzen und ihr die bevorstehenden Konzerte zum Pub-lizieren zu melden.

Kurz vor Mittag schliesst der Präsident Daniel Schranz den geschäftlichen Teil dieser DV.

Mittagessen
In kurzer Zeit wird aus dem Sitzungszimmer ein Esssaal. Der historische Raum mit seinen Wandmalereien saugt den anschwellenden Lärmpegel stoisch auf. Sich vernetzt fühlen zu können mit Musizierenden aus anderen Regionen, alte Bekannte wieder zu sehen und neue Musikfans zu entdecken, gehört mit zum Reiz einer «eidgenössischen» DV!

Podiumsgespräch mit jungen Musizierenden
Thema: «Mitspielen ja! Aber wo? Oder: Wie sollte mein Wunschorchester aussehen?»
Lorenz Hasler diskutiert mit jungen Leuten und den Zuhörer/innen angeregt über Vor- und Nachteile eines konventionellen Liebhaberorchesters.

Besichtigung KKL (Kultur- und Kongresszentrum Luzern)
Jedem Klassik-Musikliebhaber und Kulturbegeisterten ist das KKL - Luzerns Hehrzeigeobjekt des Stararchitekten Jean Nouvel mit seinem weit auskragenden Dach und der berühmten Akustik - ein Begriff. Aber so ganz mit allen Geheimnissen vertraut sind dann doch die wenigsten. Kein Wunder also, dass das Besichtigungsangebot auf Interesse stiess.
Das 1999 fertig gebaute Mehrzweckgebäude vereinigt das Kunstmuseum mit Kongresszentrum, einen multifunktionalen Saal und das Konzerthaus. Jean Nouvels Grundidee war die des Wassers. Konkret wird die Befindlichkeit der Menschen an dieser Lage von See und Fluss beeinflusst und im übertragenen Sinn steht Wasser für das Lebendige, Fliessende. Bewusst und unbewusst soll das Wasser hier den Besuchern immer gegenwärtig sein. Am eindeutigsten wird dies ermöglicht durch echtes Wasser in tiefen, die drei Funktionsbereiche verbindenden Wasserbecken, in die - wir hörens mit Sensations-Schmunzeln - Konzertbesucher hineinzufallen pflegen! Eher unbewusst nimmt man das Wasser in den auf einer speziellen Aluminiumhaut erzeugten Reflexionen wahr oder durch gezielt gewählte Fensterausblicke.

Gegen 17 Uhr heisst es Abschied nehmen. Die weiten, grosszügigen Räume, die edlen, matt schimmernden Hölzer und Steine, der Blick auf das sonnenwarme Wasser lassen ein Gefühl der Wohligkeit und erfüllten Freude aufkommen. Kultur, Sonnenschein und gleichgesinnte Musikliebhaber - was will man mehr!

Agnes von Känel, EOV


„Wie sieht mein Wunschorchester aus?“

Podiumsdiskussion an der Delegiertenversammlung des EOV in Luzern

Es ist längst kein Geheimnis mehr, wie sehr Musik die Entwicklung des Menschen fördern und in befähigen kann, seine Umgebung besser zu verstehen: der Umgang mit Tönen, das Erleben von Emotionen macht Kinder aufnahmefähiger, sozial kompetenter und selbstbewusster als Gleichaltrige ohne Musikbildung. Besonders wichtig ist es, dass Kinder nicht bloss passiv Musik konsumieren, sondern selbst aktiv werden, singen, ein Instrument spielen und gemeinsam mit anderen musizieren. Was aber bringt den musizierenden Nachwuchs ins Orchester?

Diese Frage bewegt auch die EOV-Orchester: viele klagen über Nachwuchsprobleme und suchen nach Wegen, diese zu überwinden. Alte Orchesterstrukturen werden aufgebrochen und durch neue, innovative Lösungen ersetzt. Themen wie Fusion und Job-Sharing gewinnen auch in den Orchestern zunehmend an Bedeutung. Wo noch nicht gehandelt wurde, wird zumindest darüber nachgedacht, wie etwas mehr Schwung in das eigene Orchester gebracht werden kann. Nicht selten sind die in diesem Zusammenhang getroffenen Entscheidungen für ein Orchester essentiell.

Anlässlich der EOV-Delegiertenversammlung 2007 wurde in einer Podiumsdiskussion die  Frage „Wie sieht mein Wunschorchester aus?“ diskutiert. Die Gesprächsleitung übernahm der I Salonisti-Geiger Lorenz Hasler, der als langjähriger Leiter der Musikschule Könitz direkt mit dem potentiellen Orchesternachwuchs zu tun hat. Teilnehmer waren vorwiegend junge Musikerinnen und Musiker, die selbst Erfahrungen mit den unterschiedlichsten Orchesterstrukturen gemacht haben und wissen, was ein Orchester für den Nachwuchs attraktiv macht. 

Dem Musizieren einen Freiraum schaffen

Ein grundlegendes Problem sieht der Musikschulleiter Lorenz Hasler bereits darin, dass die Agenden vieler Kinder zu voll sind und kaum Zeit bleibt für das Musizieren, geschweige denn für das Ensemblespiel. Man müsse dem gemeinsamen Musizieren bewusst einen Freiraum schaffen, damit das Zusammenspiel mit anderen als etwas Selbstverständliches erfahren werde. Der Sprung vom Jugendensemble oder Jugendorchester in ein Erwachsenenorchester ist dann naheliegend und entspricht einem gewachsenen Bedürfnis nach gemeinsamem Musizieren. Die Orchestermusiker von morgen sind damit aber noch nicht gewonnen. Neben der musikpädagogischen Arbeit mit Schülern und dem Kultivieren des Ensemblespiels, müssen die Orchester dem Nachwuchs etwas bieten, um für diesen attraktiv zu sein.

Was wünscht sich der potentielle Orchesternachwuchs?

Unsere Konsumgesellschaft überschwemmt die Jugendlichen mit einem schier unerschöpflichen Unterhaltungsangebot. Im Kampf um die Aufmerksamkeit der Jugendlichen treten die Orchester gegen harte Konkurrenz an. Wichtig ist dabei, dass die Jugendlichen im Orchester nicht unterfordert werden, das führt zu Langeweile und bald zum Absprung in andere Freizeiträume. Der musizierende Nachwuchs will in der Probe etwas lernen und mit dem Gefühl nach Hause gehen, einen schönen Abend erlebt zu haben, so die junge Hornistin Anna Barbara Schranz.

Ein hohes Spielniveau macht ein Laienorchester attraktiv, sowohl für junge Profimusiker als auch für den Amateurnachwuchs. Entscheidender Faktor ist hier oft das Mitwirken von Profimusikern: sie schrauben die künstlerischen Standards für Laienorchester in die Höhe, bieten Hilfestellungen in den Registerproben und sind neben dem Dirigenten ein wichtiges, strukturgebendes Element im Orchester. Das Zusammenwirken von Laienmusikern und Profimusikern wird allgemein als sehr fruchtbar empfunden, von beiden Seiten. Wo die Profimusiker in der Regel über eine solidere Technik und künstlerische Gestaltungsgabe verfügen, belebt der Liebhabermusiker oftmals mit Spielfreude und einer gewissen Lockerheit das gemeinsame Musizieren. Eine abgestimmte Mischung kann dazu beitragen, dass sich der anspruchsvolle Nachwuchs dazu entscheidet, in einem Orchester mitzuspielen.

Das Mitwirken von Profis allein genügt aber nicht, um eine Musizierqualität zu erreichen, die für den Nachwuchs interessant ist. Für die erfahrene Cellistin Norma Soldati vom Stadtorchester Luzern ist zudem eine gewisse Probedisziplin unverzichtbar: Auch die alteingesessenen Orchestermusiker müssen bereit sein, ihre Stimme zu hause zu üben. Oft ist gerade das Wartenmüssen auf diejenigen, die ihre Stimme erst in der Orchesterprobe üben, ermüdend und wenig motivierend.

Ein Dirigent, der Freude vermittelt, sein Orchester motiviert und mit Sachverstand leitet, kann den Nachwuchs an die Orchesterpulte holen. Nicht zu unterschätzen ist auch eine attraktive Positionierung der Jungmusiker im Orchester. Diese hat einen unbestrittenen Wert, obwohl objektiv alle Instrumentalisten einer Orchestergemeinschaft gleichberechtigt sind und die qualitative Verantwortung innerhalb des Klangkörpers Orchester allen in gleichem Masse zukommt.

Für den Jusstudenten und Fagottist Christian Fey bietet das Wunschorchester auch attraktive Programme, möglichst mit Musik aus dem 20 Jahrhundert. Als Präsident des Jugendsinfonieorchesters Orchestra Giovane kann er derzeit im eigenen Orchester umsetzen, was er sich von einem zukünftigen Orchester wünscht: Projektbezogene, intensive, aber auch kurze Probephasen und unkonventionelle Programme, die eine Herausforderung jenseits von Barock und Klassik bieten.

Der Wunsch, gemeinsam mit anderen zu musizieren, ist bei vielen Instrumentalisten vorhanden. Viele können aber die Anforderungen bestehender Orchesterstrukturen nicht erfüllen und bleiben daher den Orchestern fern. Zu denken ist insbesondere an junge Eltern, Studenten oder Berufstätige. Die Maturandin und Kontrabassistin Sabina Jucker sieht die Lösung in einer grosszügigen Probenregelung: die Orchestermusiker sollten die Möglichkeit haben, in nur jeweils einem Stück des Programms mitzuspielen, das dann bloss jedes zweite oder dritte Mal geprobt wird. Denkbar ist auch eine Job-Sharing-Lösung, bei der sich zwei Instrumentalisten eine Orchesterposition teilen.

Wie kommt das Orchester zum Nachwuchs?

Der potentielle Orchesternachwuchs findet heute nur selten allein den Weg ins Orchester. Ohne die aktive Kontaktsuche durch den Dirigenten oder die Orchestermusiker selbst geht es kaum. Man muss die Jugendlichen einzeln und direkt ansprechen, sie abholen, weiss die junge Kontrabassistin Simone Schranz, die an der Musikhochschule Bern studiert und selbst im einen und anderen Orchester mitspielt. Erste Kontakte können auch durch Projekte entstehen, bei denen einzelne Jugendliche oder ganze Jugendorchester in einem bestehenden Orchester mitspielen.

Sandra S. Habermacher