DV mit Orchesterwerkstatt in Interlaken

Gaudeamus igitur! - Begeistertes und begeisterndes Laienmusizieren Schlusskonzert der Orchesterwerkstätte des EOV

Zu den alljährlichen Delegiertenversammlungen gesellt sich alle zwei Jahre – eine sinnvolle und lobenswerte Tradition - eine Orchesterwerkstätte. Der Aufruf zur Teilnahme findet regelmässig das erwünschte Echo. Zwei Dirigenten bereiten ihren Klangkörper, ein Kammer-  und ein Sinfonieorchester, in den samstäglichen und sonntäglichen Proben zu einer Gesamtaufführung vor, dem Höhepunkt und Abschluss des Zusammentreffens, des Debattierens und Zusammenspiels einer Hundertschaft von begeisterten Laienmusikerinnen und -musikern aus dem ganzen Lande. Der Orchesterverein Interlaken hat verdientermassen die Durchführung des diesjährigen Treffens übernommen und seinen Gästen in jeder Beziehung, das heisst bei herrlichem Wetter, in erprobten Gaststätten und zweckmässigen Uebungsräumen ein ideales Wochenende bereitet. Der Präsident des EOV, der Geigenbaumeister Daniel Schranz aus Thun, zeigte sich in jeder Beziehung hoch befriedigt.

Ein Hohelied für einen unverfälschten instrumentalen Dilettantismus

An die 80 hoch motivierte Instrumentalistinnen und Instrumentalisten aus rund drei Dutzend Laienorchestern erbrachten den Beweis, dass sie unter berufener Leitung im Stande sind, in kurzer Vorbereitungszeit ein anspruchvolles musikalisches Programm zu erarbeiten und ein ebenfalls bestens eingestimmtes Publikum damit zu erfreuen.

Dabei hatten es die beiden im Berner Oberland wohl bekannten Dirigenten, der Klarinettist und Dirigent (Thuner Seespiele!) Ivan Wassilevski und der Chefdirigent des Interlakner Orchestervereins Leonardo Muzii nicht leicht, aus der heterogenen Teilnehmerschar die zwei Klangkörper, das 20-köpfige Streicher Kammerorchester und das voll instrumentierte Sinfonieorchester mit 60 Spielerinnen und Spielern zu homogenen Ensembles zusammen zu schustern und mit ihnen einen lebendigen Nachvollzug einer doch recht hohe Ansprüche stellenden Werkwahl zu erreichen. Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer hatten sich für eines der beiden Ateliers angemeldet und waren vorgängig  mit dem Notenmaterial ausgerüstet worden. Individuell wohl vorbereitet traten sie nun an, formierten sich in den verschiedenen Registern, nahmen Fühlung mit ihren Pultnachbarn, und nach einer Probenzeit von nur fünf Viertelstunden für das Gesamtwerk und fünf Stunden für das Detailprogramm im Kammer- oder Sinfonieorchester hatten sie sich am sonntäglichen Schlusskonzert dem erwartungsvollen Publikum zu stellen. Gemessen an diesen Bedingungen war das Resultat durchaus positiv und erfreulich.

Die Schweiz im Visier

Entweder waren die fünf Komponisten Schweizer wie Frank Martin, Henricus Albicastro und Willy Hess oder sie fühlten sich unserem Lande eng verbunden wie Felix Mendelssohn und Johannes Brahms mit ihren wiederholten Ferienaufenthalten im Berner Oberland. Fein und differenziert interpretierte Leonardo Muzii mit seinem Streicherensemble ein Concerto a quattro von Henricus Albicastro (Heinrich von Weissenburg) aus dem Barock und die Sinfonietta in neobarocker Aufmachung des Winterthurer Komponisten, Fagottisten und Musikschriftstellers Willy Hess aus dem letzten Jahrhundert. „Zwischen Rhône und Rhein“ nannte Frank Martin den offiziellen Festmarsch zur Landesausstellung 1939, ein Werk, das die Streich- und Bläserregister der beiden zusammengeführten Klangkörper reich zum Erblühen brachte und damit ein idealer Konzerteinstieg war. Iwan Wassilevski hatte auch die Verantwortung über die beiden sinfonischen Kompositionen. Der versierte Konzertmeister Maurice Dentan verstand es, als Einführung mit Zitaten die Affinität von Mendelssohn und Brahms zur Schweiz plausibel zu machen und die Aufnahmebereitschaft für den ersten Satz aus Mendelssohns Violinkonzert und für die Akademische Festouvertüre – eine Gelegenheitskomposition als Dank für die Verleihung des Ehrendoktors – von Johannes Brahms zu fördern.

Eine Meisterleistung des Thuner Virtuosen Alexandre Dubach

Zu und vor die Amateurmusiker trat als Solist der über die Landesgrenzen weit hinaus bekannte und erfolgreiche Geiger Alexandre Dubach. Und wiederum verstand er es, das herrliche Werk neu werden zu lassen. Seine Nähe zum Publikum faszinierte, seine traumhafte technische Sicherheit im Dienste eines berückenden Wohlklangs verzauberte, und als er als Zugabe eine Soloparodie über Rossinis Ouvertüre zum Wilhelm Tell aus eigener Hand folgen liess – Paganini und Sarasate hätten es nicht gewagter und raffinierter zustande gebracht - , wollte der begeisterte Applaus kein Ende nehmen. Die Stimmung, die das Wochenende des EOV prägte, fand in der Akademischen Ouvertüre mit ihren köstlichen Zitaten von Studentenliedern ein letztes Mal den treffenden Ausdruck: Gaudeamus igitur! Wir wollen uns freuen.

Samuel Wenger